Die Führungstour Hochalpines Gratklettern des DAV Erlangen führte 2025 zu Furkapss, Galenstock und Gross Furkahorn. Foto: D. Münch

Die Führungstour Hochalpines Gratklettern des DAV Erlangen führte 2025 zu Furkapss, Galenstock und Gross Furkahorn. Foto: D. Münch

Zu fünft stehen wir vor steilen Geröll- und Firnfeldern, die direkt in Richtung Steilhang führen. Hier geht der Abstieg vom Gross Furkahorn definitiv nicht weiter. Nach einer kurzen Beratung und einem Anruf beim Hüttenwirt (ein Hoch auf den Empfang im Schweizer Hochgebirge) drehen wir um und schlagen nach neunstündiger Tour endlich den korrekten Weg zurück zur Sidelenhütte ein. Doch wie konnten wir eigentlich in diese Situation gelangen?

Drei Tage zuvor

Sonntag, 15 Uhr: Drei Teilnehmer der Führungstour: Hochalpines Gratklettern treffen auf dem Furkapass auf zwei DAV-Trainer, welche das lange Wochenende zuvor bereits für ein paar Klettertouren in diesem Gebiet genutzt haben.

Nach einem kurzen Ausrüstungscheck bringen wir den kurzen Zustieg zur Sidelenhütte hinter uns, die in den nächsten vier Tagen unser gemütliches Basislager sein wird, und können dabei schon einmal die umliegenden Berge bewundern – allen voran den Galenstock, der mit seinen 3586 Metern das Gebiet dominiert. Während des köstlichen Abendessens beraten wir die Tour für den nächsten Tag und entscheiden uns für den kurzen Schildkrötengrat direkt an der Hütte. So können wir auch vor dem für Mittag angesagten Gewitter wieder sicher auf der Hütte sein.

Kurze Tour zum Eingewöhnen

Am nächsten Tag legen wir also nach 20 Minuten Zustieg Klettergurt, Helm und Seil an und begeben uns in einer Zweier- und einer Dreierseilschaft auf den Grat. Die Kletterei im Granit ist wunderbar griffig und bis auf eine kurze Stelle im 8. Schwierigkeitsgrad (UIAA), die wir uns technisch hochkämpfen, geht sie auch locker und frei von der Hand.

Der Abstieg ist ähnlich kurz wie der Zustieg, sodass wir wie geplant vor dem Gewitter zurück an der Hütte sind. Während draußen kurz die Welt untergeht, genießen wir drinnen ein Stück Kuchen. Den Nachmittag nutzen wir, um die ersten 300 Höhenmeter der morgigen Tour auszukundschaften sowie eine kleine Spaltenbergungsübung einzubauen.

Auf zum Galenstock

Am Dienstag machen wir uns um 6 Uhr auf den Weg Richtung Galenstock Südostgrat. Die ersten 300 Höhenmeter kennen wir ja schon und nach einem weiteren steilen Firnhang stehen wir bereits am Einstieg zum Klettersteig, der uns in die Obere Bielenlücke bringt. Von diesem haben wir einen perfekten Blick auf die Gratkante, deren Einstieg wir nach einem kurzen weiteren Firnweg erreichen.

Obligatorisches Gipfelselfie auf dem Galenstock. Foto: D. Münch

Obligatorisches Gipfelselfie auf dem Galenstock. Foto: D. Münch

Dort schwingen wir und in den gleichen Seilschaften wie tags zuvor den Granit hinauf. Der Fels ist zu Beginn genauso fest und griffig wie am ersten Tag und die Aussicht auf Tiefengletscher auf der einen und Sidelengletscher auf der anderen Seite wunderbar.

Etwa auf halber Kletterstrecke erreichen wir die Schlüsselstelle: Ein plattiger Aufschwung im oberen 5. Grad, der jedoch gut mit Bohrhaken abgesichert ist. Anders als dem Gast des Bergführers vor uns bereitet uns die Stelle glücklicherweise keine Probleme. Der obere Teil des Grats kennzeichnet sich dann vor allem durch Blockgelände im 2. und 3. Schwierigkeitsgrad aus.

Obligatorisches Selfie am Gipfel

Nach rund drei Stunden Kletterei lassen wir den Grat hinter uns und beginnen nach einer kurzen Pause mit dem 100 Höhenmeter langen finalen Firnanstieg zum Gipfel, wobei wir aufpassen müssen, der starken Überwechtung nicht zu nahe zu kommen. Um 12:30 Uhr erreichen wir den Gipfel des Galenstocks auf 3586 Metern und machen selbstverständlich das obligatorische Gipfelselfie.

Der Abstieg folgt zunächst unserer Aufstiegsroute, führt uns am Ende des Südostgrats aber weiter den Firnhang hinab zur Abseilstelle zurück auf den Sidelengletscher. Über die effizienteste Abseiltaktik bei fünf Leuten mit zwei 60-Meter-Einfachseilen und sechs jeweils 25 Meter langen Abseilpisten haben wir am vorherigen Abend über eine halbe Stunde lang philosophiert – eine klassische Textaufgabe.

Die Lösung darf jeder selbst finden – wir stehen auf jeden Fall nach nicht mal einer Stunde wieder auf dem Sidelengletscher und rutschen eine weitere Stunde über mittlerweile eher Sulzschnee als Firn hangabwärts zurück zur Hütte. Den Rest des Tages nutzen wir für Regeneration und die Überlegung, welche Tour wir am letzten vollen Tag angehen wollen. Die Entscheidung fällt auf den Ostsüdostgrat des Gross Furkahorns. Das Topo spricht von einer Stunde Zustieg, vier bis sechs Stunden Kletterei und zwei Stunden Abstieg – jedoch hat es nicht mit unseren Wegfindungsfähigkeiten gerechnet.

Letzter Tag: Gross Furkahorn

Um 7 Uhr brechen wir in Richtung des Grates auf, zu dessen Einstieg es gilt, einen plattigen Steilhang zu umgehen. Leider entscheiden wir uns dazu, unser Glück auf der linken Seite zu versuchen, was sich recht schnell als falsch herausstellt. Also den Weg wieder zurück und auf der rechten Seite hoch. So erreichen wir den Grat nach circa eineinhalb Stunden und beginnen in den schon eingespielten Seilschaften mit der Kletterei.

Diese ist zwar von der absoluten Schwierigkeit leichter als am Galenstock, jedoch bewegen wir uns ziemlich konstant mit schweren Bergschuhen und Rucksack im oberen 4. oder unteren 5. Grad, was uns dazu zwingt, meist von Stand zu Stand zu sichern und das Vorankommen vor allem in der Dreierseilschaft verlangsamt. Die hervorragende Felsqualität macht die Kletterei allerdings zu einem wahren Genuss: Nichts ist wacklig und wenn man rutscht, ist die eigene Fußtechnik (oder der Bergschuh) und nicht ein abgegriffener Fels dafür verantwortlich.

Nach fast sechs Stunden stehen wir vor der letzten Seillänge, einem leicht überhängenden Wandstück mit jedoch besten Griffen und Tritten, das uns zum schmalen Gipfelplateau auf 3169 Metern führt. Doch der eigentlich höchste Punkt liegt in Form einer schmalen, knapp 3 Meter hohen Felsnadel noch vor uns, an deren Spitze der erste Abseilstand angebracht ist. Hinauf führt nur ein Fixseil, das dort gewiss schon einige Zeit hängt, und so sichern wir lieber zusätzlich.

Ein „No!“ im Topo führt auf den falschen Weg

Von dort führt der Weg in eine kleine Scharte und nach einem kurzen steilen Wegstück und einem weiteren Abseilstand, an dem wir unsere vollen 60m Doppelseil ausnutzen können, erreichen wir das große Altschneefeld, das uns zurück zum Einstieg bringen soll. Ein letzter Blick aufs Topo und da der Weg nach links mit einem „No!“ versehen ist und der Pfeil nach rechts zeigt, begeben wir uns besser mal in diese Richtung. Doch nach einer knappen halben Stunde stehen wir an dem plattigen Steilhang, welcher uns bereits beim Zustieg den direkten Weg versperrt hat. Also wieder etwas zurück, um eine Rinne oberhalb zu queren, um noch weiter rechts abzusteigen. Tja und zehn Minuten später sind wir am Anfang dieses Berichts angelangt: Vor uns liegt nur noch ein steiles Geröll- und Firnfeld nach dem der nächste Steilabbruch auf uns wartet. Wie schon am Anfang geschrieben, kann uns zum Glück das Telefonat mit dem Hüttenwirt weiterhelfen: Wir müssen zurück und doch den Weg nach links wählen.

Zurück nach elf Stunden

Einmal auf dem richtigen Weg geht der Abstieg auch einigermaßen schnell und bringt uns erst zum Einstieg und danach sicher zur Hütte zurück. Allerdings erreichen wir diese nicht wie im „Worst-case“-Plan nach neun Stunden sondern nach fast elfstündiger Tour. Glücklicherweise reicht die Zeit vor dem Abendessen gerade noch für eine schnelle Abkühlung (man könnte es auch fast Erfrierung nennen) im Hüttensee und beim 4-Gang-Menü lassen wir die Touren der letzten Tage gemütlich Revue passieren.

So kommen wir zu folgendem Fazit und können jedem den Tipp mit auf den Weg geben: Lieber einmal zu viel beim Hüttenwirt vor Tourbeginn Zu- und Abstieg erfragen als im Gelände auf Handyempfang zu hoffen – in den deutschen Bergen sehe ich da nämlich schwarz.

Text: Theodor Hecht
Fotos: David Münch, Marcel Indenbirken, Niklas Heidenreich, Theodor Hecht