Klettern war für mich absolutes Neuland. Vor einigen Jahren war ich zwar hin und wieder Bouldern, ansonsten war mir dieser Sport jedoch gänzlich unbekannt. Seit meiner Diagnose Multiple Sklerose vor ca. 15 Jahren habe ich immer wieder versucht einen Sport zu finden, den ich noch ausüben kann. Nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, dass Klettern in meinem körperlichen „Zustand“ möglich wäre.
Vor einem Jahr sprach mich eine Freundin an, ob ich nicht Lust hätte, mit zur Paraclimbing-Gruppe des DAV Erlangen zu kommen. Sehr skeptisch habe ich nach einigem Zögern zugesagt, obwohl ich mir das eigentlich nicht vorstellen konnte. Wie sollte ich mit meinen schwachen Beinen eine Wand hochsteigen können?
Mein Einstand bei der Paraclimbing-Gruppe verwirrte mich dann etwas: Die Einschränkungen der Mitglieder waren enorm vielfältig – wie sollten die alle klettern?
Da saßen Menschen im Rollstuhl und legten dennoch einen Klettergurt an!
Ich war gespannt, wie das weitergehen würde. Für mich als Neuling waren schnell die wichtigsten Dinge geklärt: Was bedeuten die Farben der einzelnen Griffe und die dazugehörigen Zahlen an der Wand? Wie legt man einen Klettergurt an und wie wird das Seil sicher angeknotet? Wie lauten die wichtigsten Signale? Und schließlich: Was prüft man bei sich und der sichernden Person, bevor es losgeht?
Mit einem passenden Klettergurt ausgestattet durfte ich schließlich an die Wand. Das Setzen der Füße und die Koordination der Beine und Arme bereiteten mir große Probleme. Also kam – zusätzlich zum Sicherer –noch ein Helfer mit eigener Sicherung, um neben mir zu klettern und mich zu dirigieren. Drei Menschen, nur damit ich klettern konnte – ich war überwältigt von diesem Engagement der Gruppe. Schnell kam ich mit der Technik besser zurecht und mittlerweile genügt mir „nur“ eine Person zum Sichern. Um mich herum kletterten die anderen Teilnehmer*innen unserer Gruppe und hatten sichtlich Spaß! Der kam bei mir auch sehr schnell.
Das erste Mal ganz oben ankommen und in die „Tiefe“ blicken war erhebend.
Ich bin die Wand bis oben allein hochgestiegen! WOW – dass ich das schaffen würde, hatte ich nicht erwartet! Total erschöpft, aber glücklich, konnte ich die anderen Teilnehmenden unserer Gruppe beobachten. Beeindruckend, wie flink manche an der Wand mit ihren vielfältigen „Techniken“ sind!
Mittlerweile bin ich seit anderthalb Jahren dabei, wenn es freitags oder samstags zum Paraclimbing in die Bergwelt geht. Ich traue mich an schwerere Touren und schaffe auch mehr als eine pro Treffen. Das Klettern bringt mir körperlich viel! Und wenn ich einmal nicht am Treffen teilnehmen kann, fehlt mir etwas. Nicht nur die körperliche Betätigung, sondern auch der Kontakt mit den vielen netten Menschen der Paraclimbing-Gruppe sind mir mittlerweile wichtig geworden!
Das Quatschen und der Austausch in den Kletterpausen über Klettertechniken, Probleme und Lösungen aufgrund der Behinderung sind fast so wichtig wie das eigentliche Kletten. Auch meine Physiotherapeutin ist begeistert – nicht nur, weil sie selbst gerne klettert, sondern weil sie bei mir bemerkt, wie sich meine Kraft verbessert und mein Rumpf stabiler wird.
Mein großer Dank gilt den vielen Mitarbeiter*innen, die uns Teilnehmer*innen solche großartigen Erfahrungen ermöglichen! Schön, dass wir in einer Gruppe gemeinsam so viel Spaß haben können!
Selbstredend bin ich Mitglied des DAV geworden…
Du willst auch mitmachen? Dann schau doch mal auf unserer Seite vorbei!
Text: Mathias Emde
Foto: Jörg Breuning