Das Wettkampfteam des DAV Erlangen war 2024 auf vielen Klettercups vertreten – und zwar überaus erfolgreich!
Das Event, das 2024 jedoch die größte Aufmerksamkeit erregte, waren die Olympischen Spiele in Paris. Und auch hier war ein Mitglied des DAV Erlangen dabei!
Alexander Megos berichtet im Interview über seine Zeit bei den Olympischen Spielen und sein Verhältnis zu Wettkämpfen im Allgemeinen.
Du hast bestimmt richtig viel Lust, nochmal deine Zeit in Paris zu reflektieren und darüber zu reden, oder?
Alexander Megos: Das letzte Interview über Olympia ist ja schon eine Weile her. Und direkt danach habe ich die Interviews alle abgeblockt. Da hatte ich keine große Lust darüber zu sprechen.
Woran lag das?
Das Ergebnis hat mich natürlich massiv genervt, beziehungsweise dass ich da so blöd abgerutscht bin. Und dass alle mich danach gefragt haben, was ich für eine Bilanz ziehe. Ja, was zieht man da für eine Bilanz? Ist halt schlecht gelaufen… Ich war eigentlich brutal fit und hab‘ mich auch richtig gut gefühlt, aber das hat halt nichts gebracht.
Was war dein erster Gedanke als dein Fuß abgerutscht ist?
Das erste was ich mir gedacht habe war: „Jetzt reiß‘ dich zumindest noch zusammen, solange du auf der Bühne bist.“ Jetzt denke ich, dass es mega unglücklich ist, dass mir dieses Jahr genau einmal der Fuß gerutscht ist und das wirklich genau bei Olympia. Weil ansonsten war ja wirklich jeder Wettkampf richtig gut.
Was behältst du von Olympia sonst noch in Erinnerung?
Eigentlich schon viele schöne Sachen. Ich hatte ’ne coole Zeit mit Yannick und Lucia in Paris. Es hat echt Spaß gemacht, mit ihnen dort unterwegs zu sein. Wir hatten ’ne super Zeit, haben zusammen trainiert und dort im Dorf die ganzen andere Sportler getroffen.

Es ist sehr beeindruckend, wenn man so viele krasse Sportler auf einem Haufen sieht. Wir haben immer versucht zu raten, was die anderen so für Sportarten machen. Man hat dort irgendwie ein Gefühl der Einheit, grüßt andere Leute, die gleich angezogen sind, obwohl man die vorher noch nie gesehen hat. Alle kommen aus ganz unterschiedlichen Sportarten und aus allen Teilen Deutschlands und trotzdem hat man so ein Gefühl von Verbundenheit.

Was hast du für Gefühle, wenn du deine beiden Olympiateilnahmen vergleichst?
Positivere Gefühle habe ich von Paris. Bei Tokio hatte ich im Grunde schon im Vorfeld keine Lust mehr auf die Veranstaltung. Das wurde nochmal dadurch verstärkt, dass wir drei Wochen lang im Hotelzimmer saßen und nichts machen konnten. Tokio generell war für mich ein relativ blödes Erlebnis. In Paris war von der Vorbereitung bis zu allem drumherum alles sehr cool. Dort hatte ich viel Spaß.
Hast du schon Olympia geschaut, bevor das Klettern olympisch wurde?
Nicht wirklich. Nur vor 20 Jahren einmal. Mein Großvater ist aus Griechenland und damals waren wir in Athen, um uns die Olympischen Spiele anzuschauen.
Aber seither ist das komplett an mir vorbeigegangen. Das war auch zu einer Zeit, in der ich mich vom Wettkampfsport im Klettern verabschiedet hatte und nur draußen unterwegs war. In dieser Zeit hatte ich gar keinen Bezug zum Wettkampfsport.
Was hat Olympia für dich für einen Stellenwert?
Für mich ist es wettkampfmäßig schon das Größte. Aber natürlich kann ich dem Ganzen nie so viel Bedeutung beimessen, wie ein Athlet aus einer anderen Sportart, dessen einzige Perspektive das ist. Beim Klettern ist das anders, da wird Olympia nie den Stellenwert haben, wie in anderen Sportarten. Einfach weil es so viele andere Möglichkeiten gibt, erfolgreich zu sein. Ein großer Teil der über die Szene hinaus bekannten Kletterer sind ja gar keine Wettkampfkletterer.
Nach Olympia ging es für dich direkt an den Fels. Wo warst du und was hast du gemacht?
Ich habe die Einsteigerrouten fürs schwere Klettern in Flatanger (Norwegen) gemacht. Mit dem „No Kneepad Approach“ habe ich da keine Chance. Also habe ich mir gedacht, steige ich mal ein in das Game und versuch’s einfach mal.
Wird in Flatanger mehr mit oder mehr ohne Kneepad geklettert?
Eigentlich ist dort ausnahmslos jeder mit zwei Kneepads unterwegs.

Wäre es für dich in Frage gekommen, deine schweren Routen dort ohne Kneepad nochmal zu versuchen?
Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, vor allem in „The Change“, weil viele der Knieklemmer auch ohne Kneepad halten. Aber ich hatte ja auch nur begrenzt Zeit.
Warst du auch in „Silence“?
Leider nicht. Ich hätte es mir gern angeschaut. Das war der Plan für die letzten beiden Tage. Das hat aber nicht hingehauen, weil die ganze Wand nass war. Klettern war unmöglich. Die Route steht aber für die Zukunft auf jeden Fall auf dem Plan.
Wie sieht es denn mit anderen schweren Routen aus, wie „Excalibur“ in Arco?
Da war ich vor eineinhalb Jahren drin. Und das würde ich auch gern wieder probieren. Auf jeden Fall eine Route nach meinem Geschmack.

Du klingst nach wie vor sehr motiviert. Gab es jemals Phasen in denen du nicht motiviert warst?
Ja, gab es. Das war ungefähr vor zwölf Jahren, kurz bevor ich mit der Schule fertig war. Da bin ich über den Winter nicht weggefahren, sogar in den Ferien war ich zu Hause und gefühlt war das Wetter daheim sieben Monate schlecht. Ich war nur in der Halle und hab irgendwann gemerkt, dass ich komplett durch bin und gar keinen Bock mehr auf Klettern habe.
Deine Motivation hängt also an der Möglichkeit, auch draußen Klettern zu können?
Ich war jetzt auch sehr motiviert für Olympia, obwohl ich viel in der Halle geklettert bin. Aber wichtig für meine Motivation ist schon, dass ich einigermaßen regelmäßig an den Fels komme.
Wie haben sich dein Verhältnis zu Wettkämpfen und deine Gefühle bei Wettkämpfen während deiner Karriere entwickelt?
Vor meiner ersten Bayerischen Meisterschaft war ich deutlich aufgeregter als vor Olympia. Ich habe dem Ganzen viel mehr Bedeutung beigemessen. Mir ging das sehr nahe, wenn es beim Wettkampf nicht gut gelaufen ist. Ich glaube, deshalb habe ich dann auch mit den Wettkämpfen aufgehört. Weil ich den Eindruck hatte, dass mir das mental einfach nicht guttat. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, viel draußen zu klettern. Als ich dann wieder in die Wettkämpfe eingestiegen bin, war das ganz anders. Ich hab mich immer noch aufgeregt, wenn es nicht gelaufen ist, aber ich bin damit mental viel besser klar gekommen. Am Anfang meiner Karriere hatte ich oft das Gefühl, ich muss klettern gehen. Die Laune hing immer davon ab, wie gut die Session war. Ich hab‘ irgendwann gemerkt, dass ich nicht jeden Tag klettern gehen kann, um gute Laune zu haben. Keine Ruhetage führen sowieso zu einer schlechteren Leistung. Aber es gibt auch einfach Phasen, in denen es mal nicht so gut läuft. Dann hilft es nicht, verzweifelt nach einem Grund zu suchen, sondern man muss das einfach hinnehmen, weitermachen und dann wird’s auch wieder besser.

Was hat es auf dich für einen Einfluss, wenn sich das Team um dich herum ändert? (Hintergrund der Frage waren die Veränderungen im Trainerteam der deutschen Mannschaft nach den Olympischen Spielen in Tokio)
Wenn Yannik und Chris nicht mehr dabei wären, gäbe es für mich nur noch wenig Grund mitzumachen. Für mich ist ein großer Bestandteil bei Wettkämpfen das Beisammensein, vor allem mit den beiden. Wenn das nicht mehr gegeben ist, bleibt nur noch der Wettkampf. Das Umfeld ist sehr wichtig für mich.
Welchen Stellenwert haben Trainer*innen für dich? Braucht jemand auf deinem Niveau noch einen Trainer?
Ich persönlich brauche keine*n Trainer*in mehr – aber das ist für jede*n Athlet*in unterschiedlich. Was ich brauche, sind Leute in meinem Umfeld, die mir Feedback zu meinem Klettern geben. Das sind Leute, die mich gut kennen, die sagen können, was ihnen an meinem Klettern auffällt. Trainiert habe ich lange genug, ich weiß schon, wie ich fit werde. Für mich hat es in letzter Zeit auch eher nochmal was gebracht, mich auf den mentalen Aspekt zu fokussieren und über mentale Verfassung, Atmung, Pause und so weiter die Leistung positiv zu beeinflussen.
Kannst du dir vorstellen, selbst irgendwann Trainer zu werden?
Ich habe gesehen, dass Bundestrainer eher ein undankbarer Job ist. Was nicht heißt, dass ich mit Leuten im Nationalkader nicht gern zusammenarbeiten möchte.
Du setzt dich öffentlich für Umwelt- und Klimaschutz ein. Was waren im Vorfeld von Olympia deine Gedanken dazu?
Im Vorfeld hat mich gestört, dass man quasi nach China fliegen musste, um sich zu qualifizieren. Es gab zwar auch andere Events, bei denen das möglich war, aber mehr als 50% haben sich in China qualifiziert. Durch die Weltcups haben wir eigentlich schon eine Wertung. Man könnte auch einfach die Top 20 der Weltrangliste qualifizieren. Man muss das nicht beschönigen. Ein Event bei dem 10.000 Sportler*innen und 20.000 Funktionäre einfliegen ist nie gut für die Umwelt. Auch wenn Paris verhältnismäßig nachhaltig war, werden da Wohnungen und Trainingszentren gebaut. Das hat alles einen ökologischen Fußabdruck. Es ist eine Illusion, dass Wettkampfsport CO²-neutral sein könnte.
Trotzdem sind Wettkämpfe wichtig für den Klettersport. Hast du eine Vision, wie das in Zukunft umweltfreundlicher funktionieren könnte?
Man könnte zum Beispiel die IFSC oder die nationalen Föderationen dazu verpflichten, das CO² ihrer Athlet*innen auszugleichen. Damit fließt schonmal Geld in richtige Richtungen. Es ist auch nicht unbedingt nötig, dass Athlet*innen in einer Weltcupsaison auf drei Kontinenten unterwegs sind. Man könnte den ganzen Weltcup auf einem Kontinent stattfinden lassen. Und die Events zeitlich so veranstalten, dass man nicht hin- und herfliegen muss, sondern einfach dort bleiben kann. Das würde mir auch gut in den Kram passen, dann hätte ich noch genug Zeit fürs Felsklettern. Ich persönlich würde dann einfach alle drei Jahre, wenn die Wettkämpfe in Europa sind, mitmachen und ansonsten draußen klettern.
Allerdings: Es ist schon teuer, einen einzigen Wettkampf auszurichten. Es finden sich keine Locations, die eine ganze Saison ausrichten würden.

Wie hat sich dein eigenes Hilfsprojekt „Carrots for Power“ entwickelt?
Mittlerweile haben wir über den T-Shirt-Verkauf fast 13.000 Euro an ganz verschiedene Organisationen gespendet. Ärzte ohne Grenzen, an die NGO von Kai Lightner, an die Ukraine und einige mehr.
Und wie läuft es mit euerer Halle? Macht ihr da auch was Richtung Nachhaltigkeit?
Ja, wir heizen einfach nicht (lacht). Was in Zukunft mega cool sein könnte, wäre, wenn Griffhersteller einen Weg finden würden, benutzte Griffe zu recyceln. Und damit meine ich nicht Second Hand verkaufen sondern einen richtigen Kreislauf. Im Bistro soll es auch das entsprechende Angebot geben. Aber man macht auch viele Kompromisse, weil sich Nachhaltigkeit nicht gut verkauft.
Es gibt neben ökologischen auch soziale Kritikpunkte an den olympische Spielen. Siehst du da dich selbst und andere Sportler*innen in der Mitverantwortung? (→ s. auch Beitrag von ZDFheute)
Man braucht sich nicht einzureden, dass Sport nicht politisch ist. Wenn man da mitmacht, ist man Teil des Systems. So gesehen ist es natürlich auch meine Schuld, dass Dinge wie in Paris passieren. Allerdings ist es auch gar nicht so leicht, eine Lösung zu finden. Da ist man als Sportler*in dann in einer Rolle in der man keinen Einfluss hat. Aber natürlich beschäftigen mich solche Sachen. Da muss man sich auch nichts vormachen.
Das Gespräch führte Anika Aures.
Fotos: Jan Virt / IFSC; Alexander Megos privat