Am langen Himmelfahrtswochenende stand das erste Mehrseillängenwochenende in den Tannheimer Bergen für die Jugendgruppe an, die sich neuerdings Donnerstagsdynos nennt.
Los ging es für den Großteil der Gruppe am Donnerstag um sieben Uhr morgens an der Bergwelt – luxuriös spät für die beiden Zugfahrerinnen, die schon seit kurz vor sechs Uhr unterwegs waren, um sich ein zweites Auto für die Anreise zu sparen. Während Tobi den Vereinsbus samt Besetzung ins Allgäu steuerte, sammelte Bilbo das Zugteam pünktlich in Sonthofen ein, so dass sich die elfköpfige Truppe auf dem Parkplatz in Nesselwängle versammelte.
Schwer bepackt bergauf
Das Gimpelhaus, unser Quartier für die nächsten vier Tage, schon vor Augen, marschierten wir mit schwerem Gepäck los – denn jeder hatte neben seinem persönlichen Gepäck mindestens einen Satz Exen oder ein Seil dabei. So zeigten sich schon bald die unterschiedlichen Fitnessgrade, so dass Susi resolut die Führung übernahm, ein für alle machbares Tempo vorgab und regelmäßige Trinkpausen für alle anordnete.
Mehr oder weniger durchgeschwitzt erreichten wir dann bei strahlendem Sonnenschein die Hütte und bezogen unser Lager, das wir glücklicherweise das ganze Wochenende für uns alleine hatten. Da zum Klettern leider keine Zeit mehr war, unternahmen wir am Nachmittag nur noch eine kleine Erkundungstour durch das Gebiet, bei der Tobi und Bilbo aufgrund der Schnee- und Geröllverhältnisse spontan eine kleine Lehreinheit zum Thema Sturz auf Schnee- und Geröllfeldern einlegten: Alle schafften es mehr oder weniger gekonnt, einmal kontrolliert auf einem ungefährlichen Schneefeld zu “stürzen”.
Planung und Logistik
Aber die Anstrengungen der Anreise und des Aufstiegs machten sich irgendwann doch bemerkbar, sodass es bald zurück zur Hütte ging, wo nach einem kurzen Nickerchen auch endlich Zeit für das Abendessen war. Nach einem fulminanten 4-Gänge-Menü begann dann die große Planung für den nächsten Tag: Wer klettert mit wem? Welche Route? Welche Ausrüstung brauchen wir? Wie ist das mit Getränken und Jacken? Nach und nach klärten sich alle Fragen. Wir teilten uns in zwei Teams (Team Bilbo und Team Tobi) auf, die jeweils mit zwei Seilschaften unterwegs sein würden, und bereiteten bereits alles für den nächsten Tag vor, um möglichst früh starten zu können. Die Vorsteiger*innen bekamen von Bilbo noch den Tipp, sich die Route aus dem Topo abzuzeichnen, um sich den Verlauf der immerhin acht Seillängen besser merken zu können und einen Spickzettel für die Wand in der Tasche zu haben – falls man sich mal verirren sollte.
Schnee und brökeliger Fels
Nach einer überwiegend ruhigen Nacht klingelte der erste Wecker um 6:15 Uhr, der letzte um 6:45 Uhr, so dass wir alle überpünktlich und bereits eingecremt um sieben Uhr beim Frühstück saßen und nur eine knappe Stunde später schon an den Einstiegen standen – als Erste! Die Logistik vom Vorabend hatte sich also gelohnt.
Ich war mit Team Bilbo unterwegs. Wir gingen die bisher unbekannten (aber nicht ungeübten!) Mehrseillängen etwas ruhiger an und stiegen in zwei Seilschaften in die Route “Till Ann” an der Zwerchwand ein. Die ersten Lektionen im Mehrseillängenklettern gab es aber schon vor dem Einstieg, denn am Fuß unserer Route lag noch ein kleines Schneefeld, so dass wir uns spontan entschlossen, von unterhalb des Schneefeldes zu sichern und die Kletterschuhe erst in der ersten Seillänge anzuziehen. Sie wurden zwar trotzdem nass, erwiesen sich aber für die erste Seillänge, die nur mit 4 bewertet war, als durchaus nützlich, wie Susi unterwegs fluchend feststellte.
Als Vorsteigerin der zweiten Seilschaft wurde ich am ersten Stand von Bilbo begrüßt, der mir beim Standplatzbau noch einmal über die Schulter schaute, bevor er selbst weiter kletterte und ich meinen Nachsteigerinnen das “Go” gab. Im Laufe der nächsten Seillängen wurden die Hände und Füße endlich warm, der Standplatzbau wurde immer routinierter und wir gewöhnten uns langsam ein.
Leider stellten wir auch bald fest, dass die Formulierung “weitgehend fester Fels” mit Vorsicht zu genießen war, denn immer wieder mussten wir herumfliegenden Steinen und Steinchen ausweichen. Bis auf ein paar blaue Flecken gab es aber zum Glück keine Verletzungen. Seillänge für Seillänge haben wir uns als Seilschaft immer besser eingespielt und sind auch – bis auf einen Knoten am vorletzten Stand – immer schneller geworden.
Ähnliche Erfahrungen machte das Team Tobi: Nach einer ersten, teilweise noch nassen Seillänge, folgten zwei Seillängen mit losem oder brüchigem Fels. Bei Sophia führte ein Griffausbruch sogar zu einem unfreiwilligen Sturz ins Seil. Zusätzlich sorgte ein eingeklemmtes Seil für Verwirrung, da eine akustische Verständigung zwischen den Kletterern nicht möglich war. Zum Glück konnte die andere Sophia aus der Nachbarroute zwischen Jonas oben und Tobi unten vermitteln.
Fantastischer Blick – aber kalter Wind
Als alle Seilschaften oben angekommen waren, hatten Tobi und Bilbo schon ein Seilgeländer zur Abseilpiste gebaut. Während wir darauf warteten, dass die Abseilstelle frei wurde – bei elf Hanseln dauert das eine ganze Weile – zog der fantastische Blick ins Nachbartal zu und ein kühler Wind kam auf, so dass wir trotz der eigentlich schönen Aussicht froh waren, wieder am Fuße des Felsens zu stehen.
Da die Zeit für eine zweite Route nicht mehr reichte (pünktliches Erscheinen zum Abendessen hatte Priorität!), machten wir uns gemütlich auf den Weg zurück zur Hütte. Nur ein Zweierteam hatte noch nicht genug vom Fels und zog zu einer kleinen Kletterrunde in den Klettergarten direkt unterhalb der Hütte. Nach dem Abendessen, bei dem es – je nachdem wen man fragte – Spargelsuppe, Kartoffel-Brokkoli-Suppe oder Blumenkohlsuppe gab – machten wir noch eine spontane Dehnrunde auf der Terrasse, bei der wir sogar Nachahmer finden konnten. Danach wiederholte sich das Spiel vom Vorabend: Routenfindung, Materialcheck und ab ins Bett.
Anspruchsvoll und erfüllend
Am zweiten Klettertag ging es an den Gimpel Südostvorbau. Team Tobi stieg in die Route “Wirklich oben bist du nie ein” ein, ein Neo-Klassiker der Tannheimer, wie der Kletterführer lockte und tatsächlich bot die Tour durchweg lohnende Kletterei in kompaktem Fels. Trotz der anspruchsvollen Kletterei im 6. Grad konnten alle die Seillängen problemlos bewältigen. Man merkte, dass alle im Vergleich zum Vortag deutlich an Routine und Erfahrung gewonnen hatten.
Ich war mit Team Bilbo in der “Morgenstund” unterwegs, die uns ab Seillänge eins mit schöner Kletterei und ab Seillänge zwei auch mit Sonnenschein verwöhnte. Dass sich diese Tour bei den noch angenehmen Maitemperaturen lohnen würde, dachten nicht nur wir, denn noch bevor sich meine Seilschaft auf den Weg machen konnte, standen schon drei andere Seilschaften am Einstieg. Wir ließen uns davon aber nicht aus der Ruhe bringen und kletterten eine wunderschöne Tour in diesmal wirklich überwiegend festem Gelände. Nach dem obligatorischen Knoten am vorletzten Stand – diesmal brauchte es drei Paar Hände, um den Knoten wieder zu lösen – seilten wir uns nicht durch schroffes Gelände, sondern direkt an der glatten Felswand ab, was für alle noch einmal einen ganz neuen Nervenkitzel bot.
Dehnen und Feedback-Runde
Während sich Team Bilbo noch abseilte, machte sich eine Delegation von Team Tobi schon wieder auf den Weg, um vor dem Abendessen noch den “Hüttengrat” am Hochwiesler Ostsporn zu besteigen. Mit vollen Bäuchen gab es vor der Dehnrunde noch eine kleine “Learnings des Tages”-Einheit, bei der jeder erzählte, was nicht so gut gelaufen war oder was man hätte besser machen können.
Diesmal klingelte der Last-Call-Wecker für alle schon um 6.15 Uhr, damit wir noch vor dem Frühstück das Lager räumen und unsere Rucksäcke im Rucksacklager verstauen konnten, denn nach einer letzten Kletterrunde stand schon die Heimreise an. Ziel des Tages war der Hochwiesler-Ostsporn, die Hauswand der Hütte, die nur wenige Gehminuten entfernt und maximal 6 Seillängen hoch war, so dass wir um 14 Uhr mit dem Abstieg beginnen konnten.
Schöner Abschluss und wehmütige Heimreise
Da ja einige den Hüttengrat bereits vom Vortrag kannte, teilten sich die Seilschaften diesmal auf drei Routen auf. Ich stieg in neuer Konstellation mit Tobi und Chiara in “S’Bienchen” ein, die für mich klettertechnisch die schwierigste Route der drei Tage war. Dafür durfte ich die neue Perspektive des Seilletzten kennenlernen und vier wunderschöne, viel zu kurze Seillängen später standen wir schon wieder mit Jonas und einer Sophia, die zusammen die “Hirschbrunft” geklettert waren, an der Abseilstelle.
Gemeinsam stiegen wir über einen kleinen Umweg über die Tannheimer Hütte zum Gimpelhaus ab, packten unsere Sachen und ließen uns noch einmal die Sonne ins Gesicht scheinen, während wir auf Team Bilbo warteten. Wieder vollzählig machten wir uns pünktlich und wieder schwer bepackt an den Abstieg – das wunderbare Gimpelhaus und noch viele vielversprechende Routen im Rücken. Hoffentlich war es kein Abschied für immer!
Wieder am Parkplatz angekommen, ging es an die Materialsortierung, die unerwartet unchaotisch verlief, und nach einer gemeinsamen Feedbackrunde verabschiedeten wir uns von Bilbo und Julia, die separat abreisten. Der Rest der Mannschaft stieg in den Bus, den Tobi zielsicher und ohne großen Stau zurück nach Erlangen steuerte, während unterwegs schon Pläne für das nächste Mehrseillängenwochenende geschmiedet wurden.
Dank an die Organisatoren!
Ein großes Dankeschön geht an unsere Jugendleiter Bilbo und Tobi für die Organisation und Unterstützung, ohne die sich die meisten von uns wohl nicht so schnell ans Mehrseillängenklettern gewagt hätten, und an Susi, die uns wohl alle vor dem Verbrennen und Verdursten gerettet hat. Danke euch!
Text: Jule Stegner und Jonas Lippl