Als sich Anderl Heckmair 1937 aufmachte, um die Erstbesteigung der berühmt-berüchtigten Eiger Nordwand zu versuchen, schwang er sich aufs Rad und fuhr zusammen mit seinem Bergkameraden Theo Lesch aus dem Berchtesgadener Land bis nach Grindelwald. Eine Anreise mit dem Auto war für den mittellosen Bergvagabunden nicht vorstellbar und Geld für einen Zug hatte er auch nicht.

Treffpunkt bei sommerlicher Hitze am Züricher Hauptbahnhof.
Heutzutage findet die Anreise in die Berge für viele selbstverständlich mit dem Auto statt. „Bergsport ist Motorsport!“ hört man, halb scherzhaft, halb ernst gemeint, aus vielen Mündern. Im Zeichen der fortschreitenden Klimakrise eine durchaus bedenkliche Aussage. Dass es auch anders geht und die Anreise mit dem Zug und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln durchaus noch weitere Vorzüge hat, wollten wir diesen Sommer mit unserer Trainingshochtour in den Glarner Alpen zeigen.
In diesem Artikel wollen wir von unseren Erfahrungen und nicht zuletzt von der grandiosen Bergwelt der Schweizer Voralpen berichten, zu denen wir wahrscheinlich nicht aufgebrochen wären, wenn die Tour nicht als Öffi-Tour geplant worden wäre.
Erste Herausforderung: Die Planung
Aber lasst uns von vorne beginnen: Schon die Planung bedeutet für eine DAV-Ausfahrt mit Öffi-Anreise etwas mehr Aufwand. Da die Anfahrt mit ÖPNV für Bergsportler*innen im Alpenraum bisher nicht so weit verbreitet ist, war die erste Herausforderung für uns als Tourenleiterinnen, ein Ziel zu finden, das nicht nur dem Anforderungsprofil der Tour entspricht (in unserem Fall ein einfacher Gletscher mit Gipfeloptionen im WS-Bereich der Hochtourenskala), sondern auch einigermaßen gut von Erlangen mit Bus und Bahn zu erreichen ist.
Schweiz – denn da können sie ÖPNV…
Doch nicht nur wegen der weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Pünktlichkeit der Schweizer Bundesbahn im Vergleich zu ihrer deutschen Schwestergesellschaft fiel unsere Wahl schnell auf die Schweizer Berge. Das in Deutschland eher weniger bekannte Glarner Land mit seiner imposanten Gletscherlandschaft und dem mysteriösen Tödi, dessen Gipfel während unserer gesamten Tour nicht ein einziges Mal aus seiner Wolkenhülle hervorkam, hat mich schon seit längerer Zeit als Tourenziel interessiert.

Der wolkenverhangene Tödi, 1824 erstbestiegen und mit 3613m der höchste Gipfel der Glarner Alpen.
Mit einer Anreise von knapp zwei Stunden vom Züricher Hauptbahnhof per Bahn und Postbus bis zum Ausgangspunkt in Urnerboden war das perfekte Tourenziel für unsere Trainingshochtour gefunden.
Probleme bei der Anreise
Trotz der sorgfältigen Planung und der zunächst sehr entspannten Anreise nach Zürich – zumindest für die Tourenleiterinnen Ellie und Magda, die aus dem Allgäu anreisten, – schlug kurz vor Zürich bei Andreas, René und Adrian dann doch noch das Bahnchaos zu. Allerdings nicht wie erwartet in Deutschland, sondern tatsächlich erst auf Schweizer Boden und wenige Kilometer vor dem Züricher Hauptbahnhof.
Kurz waren wir noch versucht, den Schaffner unseres Anschlusszuges zu überreden, auf die Nachzügler zu warten, aber bei 30 Minuten Verspätung war dann doch nichts zu machen. Damit war unser Anschluss an den Postbus in Linthal nicht mehr zu erreichen. Nach etwas Hin und Her organisierten wir ein Taxi von Linthal nach Urnerboden, mit einem sehr freundlichen Glarner Urgestein als Fahrer, der uns beim Abschied noch versicherte: „Wenn ihr mich nochmal braucht, rufts einfach an!“
Endlich geht’s los

Mit einer uralten Seilbahn geht es rauf auf den Fisetengrat.
Dann konnte es endlich losgehen in die Bergwelt der Glarner Alpen. Mit einer schon ziemlich in die Jahre gekommenen Seilbahn ging es zunächst ganz gemütlich hoch zum Fisetengrat und von dort aus entlang von wunderschönen Blumenwiesen und zum Schluss in einem Schotterkar hinauf zur malerisch gelegenen Claridenhütte, wo wir schon von Cathleen, unserer vierten Teilnehmerin erwartet wurden.
Nach einem sehr schmackhaften Abendessen und einer kurzen Tourenplanung für den nächsten Tag ging es dann zeitig ins Bett, immerhin war der Wecker für den nächsten Morgen auf 5:30 Uhr gestellt.
Das Wetter war bis zum frühen Nachmittag stabil angesagt, dann waren Gewitter möglich. Also war keine Zeit zu verlieren.
Nach nicht einmal einer Stunde Fußmarsch von der Claridenhütte war der Clariden-Gletscher erreicht. Durch das schneereiche Frühjahr und das schlechte Wetter im Frühsommer hatten wir Glück und die Bedingungen am Gletscher und den beiden Gipfeln Clariden und Gross Schärhorn waren insgesamt noch sehr gut für die Jahreszeit. Trotzdem entschieden wir uns am Bergschrund des Clariden ein Fixseil zu legen, da dort ein etwas größeres Loch und ein anschließender steiler Firnhang zu bewältigen waren.
Ohne weitere Schwierigkeiten ging es weiter bis zu unserem ersten Gipfel, dem Clariden auf 3267 Metern. Die Sicht war leider ziemlich beschränkt, nur einmal öffnete sich kurz die Wolkendecke, so dass unser Tagesziel, die hochalpine, inmitten der Gletscherlandschaft liegende Planurahütte, erkennen konnten. Beschwingt vom Gipfelglück ging es wieder zurück über den Bergschrund auf den Claridengletscher, der am Claridenpass nahtlos in den Hüfigletscher übergeht und von da weiter zur Planurahütte.
Rechtzeitig zur Hütte geschafft
Bei den dunklen Wolken, die sich um die Mittagszeit aufgetürmt hatten und ein nahendes Gewitter ankündigten, waren wir froh, um 14 Uhr an der Hütte angekommen zu sein und ließen uns dort erstmal Kaffee und Kuchen schmecken. Während Ellie, Cathleen und René den Nachmittag eher ruhig angehen wollten, waren Magda und Adrian noch nicht ganz ausgelastet und entschlossen sich kurzerhand, den Hausberg der Planurahütte, den Piz Cazarauls, zu besteigen und das atemberaubende Panorama über die Gletscherlandschaft der Glarner Alpen von dort oben zu bestaunen.
Nach einer aufgrund der großen Höhe und gelegentlicher nächtlicher Störgeräusche im Lager nicht für alle so erholsamen Nacht, ging es am nächsten Morgen wieder früh raus und über den Hüfi-Gletscher in Richtung Gross Schärhorn. Das Wetter war stabil vorhergesagt – zumindest ohne Gewitter – trotzdem blieben die Wolken auch heute hartnäckig.
Durch etwas brüchiges Gelände am Ostgrat des Gross Schärhorn ging es hoch hinaus und über eine kurze Kletterstelle bis zum Gipfel. Ein großer Erfolg, auch diesen Anstieg als Gruppe gemeistert zu haben! Leider gab es auch hier kein Gipfelpanorama und so stiegen wir nach kurzer Rast wieder hinunter zum Gletscher.
Ein weiteres Highlight unserer Tour stand uns noch bevor: Über die Bedingungen am sogenannten Iswändli, welches wir auf dem Rückweg zum Klausenpass überwinden mussten, hatten wir uns im Vorfeld schon einige Gedanken gemacht. Denn wenn die Schneeauflage dort nicht mehr ausreichend vorhanden ist, kann es durchaus spannend werden, über die Steilstufe vom Gletscher zurück auf festen, felsigen Boden zu kommen. Doch auch hier spielten uns die guten Schneebedingungen in diesem Sommer in die Karten und so konnten wir problemlos das steile Stück über Schnee hinunterrutschen.
Die knapp 1000 Höhenmeter Abstieg zurück in die Zivilisation am Klausenpass haben sich nach diesem bereits anstrengenden Gipfeltag etwas gezogen. Doch mit Pausen und guter Laune haben wir auch diese Hürde gemeistert und standen um 16 Uhr auf der Passhöhe inmitten von Touristenscharen, die uns anschauten, als kämen wir aus einer anderen Welt. Was irgendwie ja auch nicht ganz falsch war…
Da wir aufgrund der Öffi-Anreise die Rückfahrt erst für den nächsten Tag geplant hatten, konnten wir die Tour gemütlich in einem Gasthof in Urnerboden ausklingen lassen. Bei leckerem Essen, einem Bier und heißer Schoki schwelgten wir den Abend über in den schönen Erinnerungen an die Tour. Es wurden auch schon Pläne geschmiedet, zurückzukommen in die wunderschöne Gletscherlandschaft der Glarner Alpen, um doch einmal einen freien Blick auf den Gipfel des Tödi zu erhaschen und diesen sagenumwobenen Berg bei dieser Gelegenheit vielleicht auch noch zu besteigen. Wir werden sehen!
Gut erholt, zufrieden und inspiriert für neue Abenteuer in den Glarner Alpen geht es am nächsten Morgen im Zug zurück nach Zürich und von da weiter ins Allgäu und nach Erlangen.

Text: Magdalena Ritzau
Fotos: Elisabeth Sohr, Adrian Knorr, René Böhm